This article was originally published in the German marketing magazine MarkenArtikel (11/2016)
Es ist an der Zeit, den Weg zur Markenpositionierung effizienter zu gestalten. Dabei muessen Unternehmen Loesungsansaetze jenseits des eigenen Horizonts finden und Mut fuer neue Ideen haben.
Ein Passant sieht einen betrunkenen Mann unter dem Licht einer Straßenlaterne den Boden absuchen und fragt ihn, wonach er sucht. Dieser sagt, er habe seinen Schluessel verloren – schließlich suchen beide unter der Laterne. Nach ein paar Minuten fragt der Passant, ob sich der Mann sicher sei, dass er den Schlüssel hier verloren habe. Der Betrunkene antwortet, dass er ihn im Park verloren habe. Auf die Frage warum er dann unter der Laterne suche, antwortet er: »Hier ist Licht!«.
Gewohnheit macht blind
Wo suchen wir unsere Loesungen? Dort, wo sie am einfachsten zu finden scheint? Dann geht es uns wie dem betrunkenen Mann im Comic – wir agieren im Sinne des sogenannten ‘Straßenlampeneffekts’, im angelsaech- sischen Sprachraum auch als ‘The Drunkard’s Search Principle‘ bezeichnet. Es ist klar, dass ein solches Verhalten nicht nur im betrunkenem Zustand, sondern auch im geschaeftlichen Kontext verhaengnisvoll ist. Betrachten wir die Entwicklung von Markenpositionierungen. Jeder Marketeer wird in seiner beruflichen Entwicklung mit durchschnittlich zwei bis drei Positionierungsmodellen sozialisiert, mit denen in der Regel auch erfolgreich gearbeitet werden kann. Doch wussten Sie, dass wir damit nach eigenen Analysen rund 96 Prozent aller zur Verfügung stehenden Optionen zur Lösung eines spezifischen Markenproblems ausschließen? De facto sind wir blind fuer die theoretisch vorhandenen, mannigfaltigen Moeglichkeiten.
Positioning-Roulette-Methode
Das fuehrt nicht unbedingt zu innovativen Ergebnissen, sondern eher zu althergebrachten Loesungen beziehungsweise zu einer Vorhersehbarkeit von Marketingstrategien. Sich allein auf den persoenlichen Erfahrungsschatz und starre Markenmodelle zu verlassen, um schnell wirkungsvolle und nachhaltige Positionierungen zu entwickeln, reicht nicht. Nur wer Loesungsansaetze jenseits des eigenen Horizonts sucht, wird innovative Wege finden. Nur wer den Schluessel im Dunkeln sucht, gewinnt. Mit dieser Feststellung hat sich Ulli Appelbaum vorgenommen, alle als erfolgreich bewiesenen Positionie- rungsansaetze zu erheben und zu kompilieren. Es folgte eine Analyse von 1.200 Positionierungs-Case Studies quer durch alle Branchen und Laender. Das Ergebnis: Die Identifizierung von 26 universellen Ansaetzen, die die Gesamtheit aller als erfolgreich zu bezeichnenden und uns zur Verfuegung stehenden Optionen abbilden, um eine einzigartige und unverwechselbare Verbindung zwischen Marke und Konsument zu initiieren.
Basierend auf dieser Erkenntnis wurde ein neuer Markenpositionierungsprozess entwickelt: Positioning-Roulette.
Strukturiert und spielerisch zum Erfolg
Fuer jeden der 26 Ansaetze wurden zugespitzte Fragen formuliert, die Inspiration für die Positionierungsentwicklung liefern sollen. Als Impulskarten aufbereitet, koennen sie variabel eingesetzt werden: der Reihe nach am eigenen Schreibtisch, aber auch ko-kreativ auf spielerische Art und Weise. Typischerweise laesst sich Positioning- Roulette im Kontext eines zweitaegigen Workshops mit einem multifunktionalen Kundenteam anwenden. So ist einerseits Geschwindigkeit garantiert, andererseits koen- nen die verschiedenen Stakeholder ungezwungen und spontan in den Positionierungsprozess miteinbezogen und auf eine gemeinsame Linie gebracht werden. Loesungen werden so schneller erarbeitet und verabschiedet.
Inzwischen wird Positioning-Roulette auf beiden Seiten des Atlantiks angewendet. So hat Siemens Healthcare die Methode zur Entwicklung ihrer globalen Positionierungsplattform für eine neue Reihe von CT-Scannern (CT: Computertomographie) eingesetzt und DAC Industries, ein Hersteller industrieller Reinigungsmittel, damit neue Verwendungsmöglichkeiten für seine Produkte identifiziert. Auch in der FMCG-Branche wird der Ansatz genutzt. Sam Seiller, Managing Director Bacardi, sagt ueber den Einsatz von Positioning-Roulette fuer die Bourbonmarke Angel’s Envy: »Dieser allumfassende Ansatz hat es uns ermoeglicht, jede Positionierungsoption ohne Voreingenommenheit zu erkunden und erlaubt, die verschiedenen Ideen zu einer einzigartigen Markenpositionierung in dieser zunehmend unuebersichtlichen Kategorie zu destillieren.« Und Jamie Kinnear, Marketing Director des amerikanischen Milchprodukteanbieter Land O’Lakes, erklaert: »Positioning-Roulette fuehrt zu einer gruendlichen Diskussion im Team und zu Erkenntnissen darueber, wie unsere Markenpositionierung optimiert werden kann. Die gibt dem Team außerdem die Sicherheit, alle moeglichen Optionen erkundet und analysiert zu haben.«
Beispiel outlaw Energydrink
Das juengste Positioning-Roulette-Projekt wurde im September in Kalifornien für Outlaw Energydrink, ei-ne neue Challenger-Marke im hyperkompetitiven Energydrink-Markt durchgefuehrt. Teilgenommen haben Markenverantwortliche aus den USA, Mexiko und Europa mit ihren Agenturteams. Die Herausforderung: Eine einzigartige Markenpositionierung zu erschaffen, die in einer von dutzenden lokalen Marken und globalen Giganten wie Redbull und Monster besetzten Kategorie herausragt. Gesucht wurde eine Positionierungs- plattform, die global konsistent und lokal adaptierbar ist. Die Identitaet der Marke sowie die Einzelinterviews im Vorfeld des Workshops führten zur Konzentration auf vier Positioning-Roulette-Uebungen:
‘Identify Shared Values’, um die staerksten Gemeinsamkeiten sowohl zwischen Marke und Verbraucher als auch unter Verbrauchern ueber alle Laender hinweg zu identifizieren.
‘Identify an Enemy’, um den Wettbewerber zu identifizieren, gegen den sowohl Verbraucher als auch Out- law sich verbuenden koennen.
‘Exploring the Brand Archetype’, um den wahren Kern der Marke als Katalysator fuer eine frische In- terpretation von Rebellentum zu aktivieren.
‘Challenging the Category Conventions’, um dafuer zu sorgen, dass Outlaw in der Kategorie stark auffaellt.
Mit dem Workshop konnte das Team ein gemeinsames Verstaendnis entwickeln und eine klare Positionierungs- plattform definieren, hinter der alle unterschiedlichen regionalen Stakeholder stehen. Die Agentur hat daraus ein Brand Book und eine kreative Plattform entwickelt, die in den naechsten Monaten international ausgerollt wird. Vom neuen Player Outlaw wird man kuenftig damit wohl mehr hoeren.
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